Arbeit mit inneren Anteilen

WAS SIND INNERE ANEILE?

Innere Anteile haben in der Psychotherapie je nach „Schule“ (der psychotherapeutischen Herangehensweise) unterschiedliche Namen: innerer Kritiker, inneres Team, verletztes und wütendes inneres Kind, Ego States, etc. Grundsätzlich meinen jedoch alle das Gleiche. Wir bauen im Laufe unseres Lebens (emotional am stärksten verbunden sind die Anteile aus den Kinderjahren 0 – 8) Anteile auf, um gewisse subjektiv empfundene Situationen zu bewältigen. Das können beispielsweise (Mikro-)Traumata, verletzte oder ignorierte Bedürfnisse oder generell unangemessene Reaktionen auf unsere Grundbedürfnisse sein. Meist geht es um sehr schmerzhafte Erinnerungen, bei denen unser Gehirn abgespeichert hat, dass wir sie in dieser Form nicht mehr erleben wollen (was sehr clever ist grundsätzlich) und deshalb einen Anteil (eine Strategie, eine Emotion) aufgebaut hat, der uns davor schützen soll. Jetzt wächst dieser Anteil mit uns mit und wir als Persönlichkeit werden erwachsen und entwickeln dadurch noch viel mehr Möglichkeiten und Fähigkeiten, mit denen wir solchen (damals schmerzhaften) Situationen entgegentreten können. Da unser Gehirn nun aber abgespeichert hat, dass exakt dieser Anteil (von damals) dafür zuständig ist, gibt es in vielen (vor allem emotionalen) Momenten Kurzschlüsse zu den sogenannten inneren Kindern/ Anteilen. Und wir agieren nicht mehr aus unserem (gesunden, offenen, zugewandten) Erwachsenenanteil, sondern aus einem kindlich entstandenen Anteil. In solchen Situationen fällt uns das angemessene Reagieren schwieriger und unser Gegenüber ist meist verwirrt ob unserer (häufig) unangemessenen (übertriebenen) Reaktion.

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SIND INNERE ANTEILE DAS GLEICHE WIE GLAUBENSSÄTZE?

Das kommt ein wenig darauf an, mit wem ihr darüber sprecht. In meiner Arbeit sehe ich innere Anteile als etwas anderes als Glaubenssätze. Für mich sind innere Anteile meist verbannte, verletzte, hilflose, traurige, ignorierte Bedürfnisse aus der frühen Kindheit, die uns in machen (manchmal auch vielen) Situation angemessenes, gesundes Reagieren erschweren. Darunter fallen für mich auch Bindungsproblematiken und -unsicherheiten, die meist am tiefsten sitzen und damit am längsten brauchen, um aufgelöst zu werden (aber es geht!).

Glaubenssätze sind für mich Werte, die wir im Laufe unseres Lebens von für uns wichtige (und das ist subjektiv!) Bezugspersonen gelernt und verinnerlicht haben (weil diese sie im Sinne des Modelllernens vorgemacht oder uns häufig mitgeteilt haben). Beispielsweise „man isst nicht mit den Fingern“, „wer nichts leistet, hat auch nicht verdient, Pause zu machen“… . Diese Werte können uns unser eigenes Leben auch ganz schön schwer machen, meist verengen und verhärten sie sich mit der Zeit und lassen uns wenig Handlungsspielraum. Natürlich können diese Werte sich auch mit inneren Anteilen verknüpfen und dadurch noch schmerzlichere Emotionen auslösen. Zum Beispiel, wenn meine Bezugspersonen über Jahre hinweg ausschliesslich meine Leistung gewertschätzt haben, kann ich einen Anteil entwickeln, der sich in massivem Ehrgeiz und Perfektionismus äussert (das wäre dann meine Strategie) und den Wert aufbauen „wer nichts leistet, ist nichts wert“.

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VERBANNTE – VERLETZTE ANTEILE ENTLASTEN

Kann ich denn nun etwas machen, das mir hilft?

Die gute Nachricht heisst: JA ! Die schlechte: das braucht seine Zeit und in den allermeisten Fällen eine Person, die dir damit hilft und (und das ist wirklich wichtig!) der du vertraust!

So kann man also gemeinsam Schritt für Schritt behutsam herausfinden, welche Anteile du mitbringst, wo und wann diese inneren Anteile entstanden sind und welche Emotionen sie mitbringen und auslösen. Noch behutsamer kann man dann zu den verbannten, verletzten Anteilen (zum Beispiel in Form einer Trance aus der Hypnotherapie) „reisen“, um sie zu entlasten, entspannen, behüten, uns um sie liebevoll zu kümmern und mit jedem Schritt Verletzungen aufzulösen. Das geht in Form von Vorstellungen über Situationen, in denen diese Anteile entstanden sind oder in Form von Erleben der Emotionen aus diesen Anteilen. Ziel von beiden Herangehensweisen ist da sich Bewusstwerden über seine eigenen Anteile und deren adaptive (hilfreiche) Veränderung/ Integration (NICHT die Auslöschung!).

Auch hinderliche, schmerzhafte Glaubenssätze – vor allem solche, die sich mit inneren Anteilen verbunden haben – kann man sich bewusst machen und verändern/ integrieren.

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TRAUMATA AUFLÖSEN

Dieser Prozess kann sehr langwierig sein, sich aber definitiv mehr als lohnen. Von einem Trauma wieder befreit zu sein, kann ungeahnte Leichtigkeit zurück ins Leben bringen. Traumata sitzen tief und können mehr als schmerzhaft sein. Ich möchte hier bewusst keine Beispiele geben, denn ein Trauma zu triggern, heisst nicht „oh, da erkenn ich mich wieder“, sondern löst unter Umständen exakt die Emotionen und dadurch den Bewusstseinszustand des Traumatas aus. Dies möchte ich um jeden Preis vermeiden. Hier will ich darum nur darauf hinweisen, dass ein Trauma die Extremform von inneren Anteilen sein kann, die zu äusserst intensiven (sekundären) Emotionen, körperlichen Belastungen, Flashbacks und bestimmten Verhaltensweisen (zb Dissoziation) führen kann. In so einem Fall ist es ein Muss, eine vertrauensvolle Beziehung mit deinem:deiner Psycholog:in zu haben, bevor versucht wird, das Trauma aufzulösen und dann mit ganz kleinen, behutsamen Schritten vorzugehen. Immer in deinem Tempo, mit so vielen Unterbrechungen, wie du brauchst. Ohne Druck, ohne Zwang. Geführt (direktiv), so dass dein:e Psycholog:in immer weiss, wo du gedanklich gerade bist und dir schnelle Unterstützung bieten kann. Was du wissen sollst, ist, dass alle Emotionen veränderbar sind. Du bist also in keinem emotionalen Zustand für immer gefangen. Auch wenn es sich manchmal verständlicherweise so anfühlt.

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ANTEILEN EINE NEUE AUFGABE GEBEN

Wie oben beschrieben, sind die Anteile feste Bestandteile unserer Persönlichkeit geworden und wären sehr enttäuscht, wenn man sie nun einfach achtlos loswerden wollen würde. Schliesslich haben sie voll guter Absicht und mit all ihrer Kraft ein Leben lang ihre ihnen zugeteilte Aufgabe ausgeführt. Mit ihnen darf man geduldig sein, man darf ihnen Zeit zugestehen und den guten Willen, sich an neue Situationen gewöhnen und anpassen zu können. Dafür ist es natürlich essentiell, ihnen auch eine angemessene neue Aufgabe zu erteilen. Das kann wiederum mithilfe von Hypnotherapie in Form einer Trance geschehen. Häufig sind den verletzten, traurigen, hilflosen Anteilen Strategien zu Hilfe gekommen, die man als sekundäre Emotionen oder auch Beschützeranteile betiteln kann. Also meist wütende, beleidigte, frustrierte, aggressive Anteile, die sich schützend vor die verletzten Anteile stellen und diese wagemutig verteidigen und schützen. Was von anderen Menschen wahrgenommen wird, ist jedoch nur die sekundäre Emotion, die Wut, die Aggression. Hier hilft es, diese immense Energie, die solche Anteile besitzen umzuleiten in Reaktionsmuster, die unsere verletzten Anteile sehen und ihnen überhaupt erst die Chance zu geben, unerfüllte Bedürfnisse zu erfüllen.